Der hier vorliegende Artikel stellt für mich eines von vielen Beispielen dar, bei dem Schüler zum Opfer eines völlig fehlgeleiteten Enthusiasmus gemacht werden. Man könnte der genannten Lehrerin auch genausogut krankhaften Narzißmus vorwerfen. Was bitte hat Amateurfunk mit Sozialkunde, Mathematik oder Geographie zu tun, wo doch in der heutigen Praxis weder langatmige Berechnungen, noch unmittelbare Geographiekenntnisse notwendig sind?! Auch kommt das Sozialverhalten, falls überhaupt, kaum zum Zug, da sich so gut wie niemand mehr die Zeit für Konversation nimmt. Es geht hier schon lange nicht mehr um eine Kommunikationsform, sondern vielmehr um die routinemäßige Abwicklung eines antrainierten Protokolls zum füllen der jeweiligen Logdateien. Daher kann von einer „wunderbaren Idee“ wohl kaum die Rede sein!
Und schon kommen wir zum Lieblingsthema aller Amateurfunker, nämlich DX. Daß die Idee zu dem genannten Projekt nicht ausschließlich auf dem Mist einer einfachen Grundschullehrerin gewachsen war, ist hier klar erkennbar und auch kein Wunder. Hier ging es von Anfang an nicht wirklich nur um die Schüler und/oder den Unterricht, sondern viel eher um das vollkommen durchgeknallte Ego von ein paar Aktivisten, die ihre merkwürdigen Anwandlungen auf dem Rücken von Schulkindern ausleben. Genau die gleiche Methode verwendet auch die Scientology-Kirche zum Seelenfang an diversen Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Dies dann auch noch als „Motivator“ hinzustellen gerät dabei zum völligen Schwachsinn, wenn dann auch noch behauptet wird, DX bringt die Welt näher. Erstens ist das einer von mehreren Mythen, die nach genauerer Betrachtung schnell als Lüge entlarvt werden, und zweitens bringen heute alle möglichen Medien und Dinge die Welt so nahe, daß der Amateurfunk hier nicht die geringste Rolle mehr spielt. Schon im ausgehenden 20. Jahrhundert war klar, daß die Welt immer kleiner wird, allerdings sicher nicht durch den Amateurfunk, denn dieser war, wie in so vielen Fällen, dabei völlig bedeutungslos.
Die Behauptung „Verbindungen zu Funkamateuren in aller Welt bringen Verständnis für andere Sprachen, andere Kulturen“ stellt dabei einen weiteren Mythos dar, der gleichfalls falsch, wie auch leicht zu widerlegen ist. Da so gut wie alles im Amateurfunk internationalisiert wurde, kommen Kultur und Sprache praktisch nie zum Zug, man spricht Englisch und wer es bis dato nicht gut genug beherrscht, der ist zum lokalen Dialog verdammt. Über die Kultur muß man sich dann auch keine Gedanken mehr machen, denn davon würde man, ob man will oder nicht, ohnehin nichts mitbekommen.
Den nächsten Unsinn stellt die Behauptung dar: „Die Verwendung des Buchstabier-Alphabets stärkt Rechtschreibfähigkeiten“, allein darüber könnte man bereits den Kopf schütteln. Inwiefern bitte? Etwa durch die Einschränkung des Vokabulars auf nur 26 Wörter? Wenn das tatsächlich stimmt, dann wäre die Frage nach dem durchschnittlichen IQ der Schüler der nächste Punkt. Schüler die aufgrund ihres vermeintlichen Analphabetismus auf solche „Übungen“ angewiesen sind haben bereits genug Nachholbedarf, da wäre es erst recht nicht vertretbar sie einem derart exotischen Lehrstoff auszusetzen. Alles zusammen also wieder kompletter Blödsinn!
Noch schlimmer wird es im nächsten Abschnitt, wo die Meinung eines eher erfolglosen Autors als Maßstab herangezogen wird, um den „Nachweis“ zu erbringen, daß die Kinder und Jugendlichen von heute das Internet ausschließlich zur Kommunikation mit ihren Bekannten und Freunden aus dem realen Leben nutzen. Dies steht dabei nicht nur in einem falschen Kontext zum Amateurfunk, es ist sogar durch die offensichtliche Generalisierung falsch, da damit ausnahmslos alle Kinder und Jugendliche weltweit in einem Topf landen. Richtig ist viel mehr, wenn Kinder internationale Kontakte pflegen wollen, dann finden diese auf allen erdenklichen Ebenen statt und nicht nur über das Internet, insofern spielt der Amateurfunk hier ebenfalls nicht die geringste Rolle.
Das Betätigungsfeld, das der Jugendliche heute in seiner Freizeit vorfindet, ist also inzwischen bereits so unüberschaubar groß, daß hierin auch die Antwort auf die Frage zu finden ist, warum es kaum mehr Nachwuchs im Amateurfunk gibt. Das Internet ist dabei nur eine von vielen Facetten, tatsächlich ist eine ganze Liste von Gründen dafür verantwortlich, die leider Großteils durch die jeweiligen Dachverbände und deren Organisation, bzw. dem geradezu asozialen Verhalten der Amateurfunker selbst geschuldet ist.
Und zum Schluß noch einer dieser dümmlichen Mythen: „Die räumliche Dimension wird intuitiv erfahrbar“, nein sowas aber auch, aber bitte wie denn?! Etwa durch die inzwischen massiv auftretenden Störungen aus allen mögliche Quellen? Oder den durch die allgemeine Verschmutzung der Atmosphäre und der zunehmenden Urbanisierung unseres Lebensraums reduzierten Reichweiten? Oder ist etwa der langsam zuendegehende Sonnenzyklus mit seinen schlechten Ausbreitungsbedingungen dafür verantwortlich? Ich denke hier kann jeder halbwegs intelligente Mensch sehr leicht selbst die Wahrheit herausfinden und seine Schlüsse ziehen.
Wir dürfen uns fürwahr glücklich schätzen, daß man in deutschen Ländern und Resteuropa auf diesen Nonsens in den Grundschulen bislang verzichtet hat!
Ein Beitrag im wöchentlichen Ham Nation Video Podcast machte mich aufmerksam auf die Amateurfunk-Aktivitäten der Dorothy Grant Elementary School in Fontana, Kalifornien, westlich von Los Angeles gelegen. Der Clou: hier wird Amateurfunk nicht nur genutzt, um die Schülerinnen und Schüler zu besonderen Leistungen in den „MINT“-Fächern (vor allem Mathematik) zu motivieren, sondern auch als tollen Motivator in Geographie und Sozialkunde.
Was für eine wunderbare Idee.
Zu verdanken haben die Kinder dies einer sehr engagierten Lehrerin, Bev Matheson, KJ6RSX, einer ganzen Riege vor allem älterer Funkamateure, die das Ganze technisch unterstützen, und einer Reihe von großzügigen Spenden, von denen deutsche Schulstationen sicher nur träumen können – neueste Icom-Transceiver, eine Alpha 78 PA, einen Gittermast, einen Kurzwellen-Beam … das Ziel der Amateurfunkaktivitäten ist DX!
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